14th ECSWR 2025
Titel des Vortrags: “Temporal and historical references of social pedagogical identity formation”
Name der Konferenz: 14th European Conference of Social Work Research
Datum des Vortrages: 14. März 2025
Ort der Konferenz: Katholische Stiftungshochschule München
Vortragende*r: Stephan Dorf
Mit der Wahl des Konferenztitels „Embracing Democracy in Social Work Practice and Research” zielte die 14th European Conference of Social Work Research (ECSWR), die dieses Jahr vom 12.-14. März an der Katholischen Stiftungshochschule in München stattgefunden hat, auf die Thematisierung von Zusammenhängen, die angesichts der globalen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in ihrer gegenwärtigen Ausbreitung und Zuspitzung aktueller nicht sein könnte. Fraglich ist in diesem Kontext nicht mehr nur, welche Rolle die Soziale Arbeit/Sozialpädagogik innerhalb demokratischer Staaten einnimmt; wie in anderen Bereichen auch verläuft die Adressierung der Demokratie (sowie der Bezüge der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik zu ihr) derzeit entlang der radikaleren Frage nach dem Erhalt der Demokratie. Fraglich wird demnach etwa, wie die mit der demokratischen Staatsform verbundenen Möglichkeiten gesellschaftlichen Zusammenlebens, Strukturen ökonomischer Absicherung und sozialer Teilhabe sowie die sie vermittelnden Institutionen (darunter auch die Soziale Arbeit/Sozialpädagogik) gestärkt werden können.
Eine besondere Herausforderung dürfte dabei die Aufgabe darstellen, die notwendige Stärkung der Demokratie nicht gegen ihre ebenso notwendige Kritik auszuspielen. Die Schwierigkeit einer nicht extremistischen und dennoch grundsätzlichen Kritik der Demokratie zeigt sich gerade im Zusammenhang der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik als wesentlich, geriert sich diese doch historisch als Reflexionszusammenhang der immer auch politischen sozialen Wirklichkeit von Erziehung und als Bearbeitungskomplex des konflikthaften Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft, das insbesondere kapitalistisch wirtschaftenden Gesellschaften strukturell eingeschriebenen ist: Theoretisch wie praktisch stets mit den Folgen fehlender demokratischer Wirklichkeit konfrontiert, wie sie in Formen des Ausschlusses von Beurteilungs-, Entscheidungs- und Zuweisungsprozessen sowie in strukturell fehlenden Teilhabe- und Teilnahmemöglichkeiten und damit in sehr ungleich verteilten Lebens- und Handlungsmöglichkeiten zum Ausdruck kommt, zielt Soziale Arbeit/Sozialpädagogik ebenso beständig auf die Verwirklichung der uneingelösten Potenziale demokratischer Gesellschaften.
Im Sinne dieser komplexen Verstrickung stellte Prof. Dr. Fabian Kessl von der Bergischen Universität am zweiten Konferenztag in seiner Keynote heraus, dass der sich derzeit im Zeichen einer extremen Neoliberalisierung vollziehende Angriff auf sowie Abbau von (demokratischen) Institutionen (die Übergabe der Kettensäge von Javier Milei an Elon Musk diente Kessl dabei als symbolischer Einsatz) zwar prinzipiell mit der Verteidigung von Institutionen zu begegnen sei, das entscheidende Moment dieser Verteidigung aber darin liege, Institutionen dialektisch als das Ineinander von Ermöglichung und Verunmöglichung zu begreifen und demnach die Idee der Verteidigung prinzipiell mit der Idee der Kritik zu verschränken.
Freilich lässt sich eine Konferenz, die sich aus knapp 450 Einzelbeiträgen in drei Tagen zusammensetzt, nur schwer auf eine Perspektive vereinigen. So wurde der Zusammenhang von Demokratie und Sozialer Arbeit auf vielfältige Weisen thematisiert. Direkte Verbindungen wurden herausgestellt bspw. anhand der politischen Neutralitätsforderungen an die Jugendarbeit als Teilbereich der Sozialen Arbeit oder anhand der Erfahrung nicht demokratisierter Machtformationen in der Praxis Sozialer Arbeit. In einer weiteren Thematisierungslinie wurden die eher indirekten Bezüge zwischen (demokratischer) Politik und Sozialer Arbeit beleuchtet, bspw. die der Legitimierung sozialpädagogischer Praxis dienenden negativen Selbstdarstellungen Sozialer Arbeit/Sozialpädagogik, das strategische Agieren von Professionellen im Rahmen von Bedarfsermittlungsverfahren, die in politischen Entscheidungen fundierten und die Zukunftspläne von Sozialpädagog*innen stark beeinflussenden Rahmenbedingungen sozialpädagogischer Tätigkeit oder die politische Dimension
der Epistemologie(n), die dem Reflexionszusammenhang Soziale Arbeit zugrunde liegen.
Sichtbar wurde daher insbesondere, wie sehr die Möglichkeiten professioneller Tätigkeit im Kontext der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik einerseits von politischen Entscheidungen bedingt sind, dass diese Tätigkeit aber andererseits – zumindest in Teilen – selbst als Moment demokratischer
Gestaltung gesellschaftlichen Zusammenlebens zu verstehen ist. Inwiefern die Soziale Arbeit/Sozialpädagogik selbst und ihre politischen Bedingungen einer (weiteren) Demokratisierung bedürfen, war die Frage, die es angesichts des Konferenzthemas stets mitzudenken galt.
Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen und komplexen Thematisierungslinien zielte mein Vortrag darauf, nach der politischen Dimension der sozialpädagogischen Theorie zu fragen. Anhand der diskursiven Selbstthematisierungen, wie sie in Versuchen einer Bestimmung der „Identität der Sozialpädagogik“ zum Ausdruck kommen, habe ich zu zeigen versucht, dass Bestimmungen sozialpädagogischer Identität in unterschiedlichen Formen zeitlicher und historischer Bezüge vermittelt werden und dies an verschiedenen sozialpädagogischen Identitätskonzeptionen veranschaulicht. Ob vor dem Hintergrund der Beobachtung solch vielfältiger Formen der Identitätsbestimmung ein strategischer Einsatz sozialpädagogischer Identität(en) nicht nur
naheliegend, sondern auch sinnvoll ist, weil er eine gesellschaftliche und politische Positionierung der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik ermöglicht, stellte ich abschließend zu Diskussion.
Die Diskussion einer meinem Dissertationsprojekt entnommenen Idee im internationalen Kontext war für mich und die Einordnung meiner Arbeit auch mit Blick auf ihre weitere Ausrichtung sowie meine Positionierung im akademischen Feld äußerst wichtig.
Für die finanzielle Unterstützung der Teilnahme danke ich dem ZGS herzlich!