Zentrum für Graduiertenstudien

Datum: 8. 10. August 2019

Ort: Oldenburg

von Martin Wilmer

 

Im August 2019 bat die Sommerschule mit Philipp Schwab (Freiburg) eine außergewöhnliche Gelegenheit, die historisch einmalige philosophische Diskussion zwischen Fichte, Schelling und Hegel um 1800 nachzuvollziehen. Als Teil der Reihe „Junge Philosophie“ fand sie in der gediegenen Atmosphäre des Karl-Jaspers-Hauses in Oldenburg statt, organisiert von begeisterten NachwuchswissenschaftlerInnen.

Mit dem Fokus auf die Schlüsselfrage nach Identität und Differenz des letzten Grundes unseres Wissens eröffnete der Workshop rund 15 Teilnehmenden ─ fortgeschrittenen Studierenden und Promovierenden ─ zahlreiche Perspektiven auf die Kernfragen des Deutschen Idealismus. Von Anfang an war klar, dass weder der Dozent noch die TeilnehmerInnen darauf aus sind, Lager zu bilden und „ihren Philosophen“ zu finden. Leitend war vielmehr die Intention, die jeweiligen philosophischen Texte und Positionen aus den Diskurs-Konstellationen heraus zu verstehen, freilich ohne die vertretenen Geltungsansprüche zu relativieren.

Anhand sorgfältig ausgewählter Passagen der wichtigsten Texte und Briefe galt es in diesem Sinne zunächst, Fichtes Auftakt zu einem höchst fruchtbaren Abschnitt der Philosophiegeschichte zu verstehen. In Auseinandersetzung mit der Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre wurde klar, dass eine jede Philosophie, die auf Einheit und einen Prinzipien-Monismus abzielt, vor dem Problem steht, wie Differenz und nicht zuletzt die Mannigfaltigkeit in der Welt zu erklären ist. Bei Fichte lässt sich, wie ich in meinem Vortrag zu zeigen versuche, schon das Grundprinzip nur als Einheit denken, die sich im Selbstdenken gleichsam verdoppelt, wie dann in der Wissenschaftslehre nova methodo ausformuliert wird. Schon hier findet sich also die Problemlage in nuce. Anschließend steht Schellings Aneignung von und Umgang mit Fichtes Ansatz im Zentrum. Schelling macht vor allem das Komplement der Subjektivität stark und meint, die Transzendentalphilosophie sei nur dann vollständig, wenn sie um eine Theorie der Objektivität, eine Naturphilosophie ergänzt wird, die die Dynamik in der Natur als genuine Kraft beschreibt. Anhand verschiedenster Texte zeigt sich, dass Schelling nicht davor zurückschreckt, seine Position binnen kürzester Zeit zu revidieren. Dies ist allerdings keineswegs als Schwäche Schellings abzutun. Denn in der Diskussion tritt ─ besonders durch die Beiträge versierter Teilnehmer und Philipp Schwabs ausgezeichnete Textkenntnis ─ eine innere Logik zu Tage, der diese Positionsentwicklung folgt. Schließlich werfen wir am letzten Tag einen Blick auf die Aneignung der Debatte zwischen Fichte und Schelling in Hegels Differenzschrift, die diese 1801 als philosophischen Schriftsteller öffentlich hervortreten lässt.

Die Summer School in Oldenburg hat gezeigt, dass die Forschung zur Klassischen Deutschen Philosophie zu Unrecht ein Nischendasein in Deutschland führt. Die Studierenden und Promovierenden aus Oldenburg, Berlin, München und Wuppertal haben mich durch Engagement, herausragende Gelehrsamkeit und außergewöhnliche Offenheit in den Diskussionen tief beeindruckt. Das Gespräch zwischen den drei Denkern aufleben zu lassen, hat sich als ungeheuer lehrreich erwiesen. Für die Arbeit an meinem Promotionsprojekt nehme ich dies ─ neben zahlreichen neuen Kontakten ─ als wichtigen Impuls mit.

Für die Förderung der Reise bedanke ich mich herzlich beim ZGS.

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